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Grafik: Presse Haustür als unüberwindliche Hürde

Bündnis will Barrierefreiheit auf allen Ebenen beschleunigen

Kassel – Keine Türschwellen, kein Absatz zum Balkon, eine ebenerdige Dusche. Die Wohnungen im neuen Mietshaus sind alle barrierefrei gebaut worden. Auch ein Aufzug ist vorhanden. Doch an der Haustür endet die Bewegungsfreiheit des Rollstuhlfahrers: Es fehlt ein elektrischer Türöffner. Ohne fremde Hilfe kann er das Haus nicht verlassen, kann nicht zum Arzt, nicht zum Einkaufen.

„Barrierefreiheit muss man vom Anfang bis zum Ende denken. Das sollte zur Selbstverständlichkeit werden“, sagt Annika Marschall-Kuhn, Wohnberaterin des Caritasverbands Nordhessen-Kassel e. V. und der Stadt Kassel. Das sei in der Region längst noch nicht der Fall.

Zur Beschleunigung der Barrierefreiheit für gehandicapte Menschen und deren Teilhabe auf allen Ebenen hat sich die Caritas mit der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Nordhessen, dem örtlichen Sozialverband VdK Hessen-Thüringen, der Fachstelle für Wohnberatung, dem Verein zur Förderung der Autonomie Behinderter und weiteren Akteuren zu einem Bündnis „Barrierefrei“ zusammengeschlossen. Es wird sich am 5. Mai zum europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung mit vielfältigen Aktionen präsentieren. Die Partner des Bündnisses haben sich größtenteils im Nachgang des Protesttags im letzten Jahr zusammengefunden, unter anderem um angesichts des gravierenden Mangels an barrierefreien Wohnungen die Kommunalpolitik in der Kasseler Region, Wohnungsgesellschaften, Bauherren und Architekten stärker für das Problem zu sensibilisieren.

Man wolle auch Einfluss auf die Stadtplanung nehmen. Ein erstes Gespräch mit Stadtbaurat Christof Nolda habe schon stattgefunden, weitere sollen folgen, berichtete Milka Backovic, Verbandsreferentin des Awo-Bezirks. Ziel des Bündnisses ist, dass neue Häuser künftig von Anfang an barrierefrei geplant werden.

Marschall-Kuhn registriert eine ständig wachsende Nachfrage nach barrierefreien Wohnungen. Es fehlten 2,5 Millionen dieser Wohnungen deutschlandweit, die Bauordnungen verpflichteten Bauherren nicht zum barrierefreien Bauen, sagte Michael Schmidt, Geschäftsführer der Awo Nordhessen. Kommunen wie Privatleute täten zu wenig, der Umbau der KVG-Haltestellen dauere zu lange. Es gelte daher auch,

die „Barrieren in den Köpfen“ der Akteure abzubauen, sagte Birgit Schopmans vom Verein Fab. Der VdK will daher seine Aufklärungsarbeit über Barrierefreiheit in Kitas und Schulen intensivieren.

Hinzu kommen die steigenden Preise. „Für normale Rentner sind diese Wohnungen oft nicht mehr erschwinglich“, meinte Elke Bublitz, Landesjuniorenvertreterin des VdK und Vorsitzende des Ortsverbands Niestetal. Bisher biete die Politik nur „Einzellösungen“ an, sie sei zu zögerlich, erklärte Sigrid Vater-Eisner vom Ortsverband West-Wehlheiden und VdK-Ehrenamtskoordinatorin. Dabei wollten immer mehr Ältere möglichst lange eigenständig wohnen.

Quellenangabe: Hessische Allgemeine (Kassel-Mitte) vom 30.03.2023, Seite 10


HNA, 30.03.2023