FRITZLAR. Auch behinderte Menschen können ein lebenswertes
Leben führen. Das lernten gestern die Kinder der Klasse 3c der Grundschule
An den Türmen in Fritzlar. Bei ihnen zu Gast war Birgit Riester vom Kasseler
Verein zur Förderung der Autonomie Behinderter.
„Viele Menschen wissen gar nicht, dass man auch als behinderter Mensch
normale Dinge tun kann, kochen zum Beispiel“, sagte sie. Und so staunten
die Kinder nicht schlecht, als sie zum ersten Mal in ihrem Leben eine sprechende
Küchenwaage sahen.
Mit zehn Fingern hämmerte die Frau auf einen grünen Kasten ein.
Im Stuhlkreis starrten die 21 Kinder gebannt auf die kaugummigroßen
Papierstreifen, der daraufhin aus dem Kasten ratterte. Für Birgit Riester
ist er wie eine Schreibmaschine. „Das ist doch keine Wurst“, schrie
jemand aufgeregt, als der frisch gestanzte Streifen mit der Brailleschrift
im Mund des Blindenhundes Lisa zu verschwinden drohte. Doch Jan-Christoph
konnte strahlen. Er und seine Klassenkameraden konnten nun ihre Namen mit
den Fingerspitzen fühlen.
Knapp zwei Monate haben sich die Schüler von Karin Jericho im Sach- und
Religionsunterricht auf den Besuch vorbereitet. „Es ist wichtig, die
Hemmungen und Vorurteile im Umgang mit Behinderten abzubauen“, sagt
die Lehrerin. Und die Schüler waren begeistert. „Ich weiß
jetzt endlich, wie ich Behinderten besser helfen kann“, freute sich
der achtjährige Rene´.
Trotzdem hatten die Kinder noch viele Fragen, die Birgit Riester ausführlich
beantwortete. „Sind Sie traurig, weil Sie blind sind?“ wollte
Tabea wissen. Und Shana interessierte: „Kannst du auch mit dem Herzen
gut sehen?“
Die Drittklässler konnten kaum glauben, dass Birgit Riester dreifache
Mutter und seit zwölf Jahren verheiratet ist. „Aber wie merkst
du denn, dass deine Kinder Unfug machen?“, fragten sie verblüfft.
Wie bei so vielem ist die Blinde auch hier auf ihre Ohren angewiesen. Mit
15 Jahren war sie auf Grund einer Netzhauterkrankung erblindet. Seitdem wurde
sie oft diskriminiert und beleidigt. „Heute erlebe ich das kaum noch,
die Menschen sind einfach nur unsicher“, erklärt sie. Mit Hilfe
von Masken konnten die Kinder am eigenen Leib erfahren, was es heißt,
blind zu sein. „Es war als würde ich schweben“.
Hintergrund
Verein nennt sich fab
Der Kasseler Verein zur Förderung der Autonomie Behinderter (fab) wurde
1987 von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen gegründet. Unter
anderem bietet er Beratung und Dienstleistungen für behinderte Menschen
an und vermittelt behinderte Referenten zum Thema „Leben mit einer Behinderungen“
am Schulen in der Region.
Information: fab, Birgit Schopmans, Telefon: 0561/7 28 85-24
Internet: www.fab-kassel.de
Quelle: HNA Fritzlar –Bad Zwesten – Homberg
vom 03.03.2006