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Grafik: Presse Kunst für manche unerreichbar


Behinderte sind verärgert über Hürden und fehlende barrierefreie Führung
– d 13 will nachlegen


Von Katja Rudolph

Kassel. Wer die Suchworte „documenta“ und „barrierefreiheit“ im Internet eingibt, landet im Archiv der documenta 12. Bei der aktuellen Weltkunstausstellung gibt es keine speziellen Angebote für behinderte Menschen. Vor fünf Jahren standen Führungen für Blinde und Schwerhörige sowie in Gebärdensprache von Anfang an im Programm. Die documenta 13 falle hinter den bereits erreichten Standard weit zurück, kritisieren Kasseler Behinderten-Vertretungen. Auch bei vielen der neuen Ausstellungsorte sei nicht an die Bedürfnisse von Rollstuhlfahrern gedacht worden. Nicht nur, dass mit dem Weinberg und dem Bunker Standorte gewählt wurden, die nur mit hohen Kosten barrierefrei zu gestaltet wären, sagt Birgit Riester vom Verein zur Förderung der Autonomie Behinderter (fab). Auch viele der neu errichteten Holzhäuschen in der Karlsaue seien nur über Stufen zu erreichen.

25 000 Schwerbehinderte

Für Uwe Frevert, der einen Elektro-Rollstuhl fährt, sind solche Stufen eine unüberwindbare Hürde. Der 250 Kilogramm schwere Rollstuhl kann nicht gehoben werden. „Eigentlich darf eine Stufe kein Thema sein“, sagt Birgit Riester. Ein oder zwei Stufen ließen sich ohne Weiteres mit einer Rampe überwinden. „Das nicht zu bedenken, zeugt von Gedankenlosigkeit und Ignoranz.“ Besonders verärgert sei man, dass es im Vorfeld der Ausstellung im Februar ein Gespräch mit der documenta – Projektleitung gegeben habe, um auf die Belange behinderter Menschen hinzuweisen und trotzdem nichts passiert sei, sagt Helmut Ernst vom städtischen Behindertenbeirat. „Es war Zeit genug, darauf einzugehen, und es wäre an vielen Stellen ohne großen Aufwand möglich gewesen.“ Hier müsse die documenta umgehend nachbessern. In Kassel haben nach Angaben des Beirats rund 25 000 Menschen einen Schwerbehinderten – Ausweis.
Allein in der Aue sind fab und Behindertenbeirat zehn nicht barrierefreie documenta- Orte aufgefallen. Insgesamt gibt es dort etwa 50 Ausstellungsstätten. Auch im Fridericianum seien zwei Räume im Seitenflügel nur über Treppen erreichbar. Zwar bestehe die Möglichkeit, mit dem Lastenaufzug dorthin zu gelangen, sagt Elke Thimsen, Geschäftsführerin von fab und selbst gehbehindert. Allerdings werde auf diesen Service nicht hingewiesen. Als sie selbst die Ausstellung besucht habe, sei der Aufzug zudem belegt gewesen.
Birgit Riester von fab, die in ihrer Jugend erblindet ist, kann ohne Weiteres nur die Klanginstallation der documenta wahrnehmen.
Die Führungen für Blinde auf der d12 hat sie noch in lebhafter Erinnerung. Mit Handschuhen habe man einige Kunstwerke anfassen dürfen. Aber auch wenn Bilder oder Videoinstallationen gut beschrieben würden, könnten Blinde an der Kunst teilhaben, sagt Riester. In den meisten regulären Führungen werde jedoch gleich über das Kunstwerk gesprochen und nichts beschrieben.

Quelle: HNA 04.07.2012