Grafik: Presse Nostalgische Reise in alte Hippie-Zeiten

Janis Joplin-Band "Big Brother & the Holding Company" im Musiktheater

Von Sven Kamin

Wie lange musste sie wohl schon vor den Kasseler Nachthallen warten, die kunterbunte "Flower Power- Ente mit dem "Love 50" Nummernschild in der Rückscheibe? Nun endlich war es so weit. Mit der Big Brother & the Holding Company", der Band der legendären Janis Joplin (1943-70), kam gewissermaßen die Musik zum Hippie-Mobil auf die Musiktheater-Bühne. Der Kasseler Verein zur Förderung der Autonomie Behinderter (fab) hatte die Kalifornier für ein Benefizkonzert gewinnen können und so tummelten sich auch etliche Rollstühle vor der Bühne. Frage des Abends im Fahrstuhl in die Hippie-Ära war natürlich, wie und ob das Quartett die Lücke schließen wollte, die der Tod ihrer Frontfrau vor 35 Jahren hinterlassen hatte. Die Antwort gab Sängerin Andrea Mitrovich, die Janis bereits im gleichnamigen Broadway-Musical verkörpert hatte, mit rauer Stimme, dreckigem Lachen und barfuss umgehend selbst. Als eine Art Janis-Abziehbild ohne größere Eskapaden gelang ihr der schwierige Spagat, zwar die Rocklegende dazustellen, aber die Musiker als eigentliche Protagonisten des Joplin-Sounds nicht in den Hintergrund zu drängen. Der eigentliche Star blieb so vor allem die Musik selbst. Sam Andrew an der Gitarre, Dave Getz am Schlagzeug und Peter Albin am Bass reproduzierten wie ein museales Ausstellungsstück die fiebrigen Rhythm-and-Blues-Nummern oder die entrückten Improvisationen ihrer musikalischen Glanztage, die heutzutage auch völlig ohne halluzinogene Drogen den Zuhörer durch sonderbare, blumenüberzogene Landschaften gleiten lassen. Dass das nicht viel mehr ist als ein nostalgischer Erinnerungstrip, ist klar, wird aber wohl auch von niemandem im Publikum anders erwartet. Zu "Me and Bobby McGhee" und "Piece of my Heart" bewegen sich zunehmend enthemmte Beine und Räder auf der Tanzfläche und beim obligaten "Mercedes Benz" als Zugabe findet wohl auch die "Flower Power"-Ente ihren Traumpartner. Musik, Liebe und Glückseligkeit wohin man sieht.
HNA - Artikel 05.04.2005