HNA, 04.05.03
KASSEL. Das Laken auf dem Platz vor dem Kasseler Rathaus ist genau zwölf Quadratmeter groß. Nicht viel hat darauf Platz. So groß, erläutert Stefan Göthling, sei im Durchschnitt das Zimmer eines Behindertenwohnheims. "Ich glaube, da haben die meisten Hunde mehr Raum", sagt der Bundesgeschäftsführer des Behinderten-Netzwerkes People First weiter. Gestern machten zahlreiche Behinderte vor dem Rathaus auf ihre Probleme aufmerksam. Vor allem setzten sie sich während der Kundgebung für die Gleichstellung behinderter Menschen gegenüber Nichtbehinderten ein.
Zurück zu den zwölf Quadratmetern: Wohnen in Heimen und Arbeiten in Behinderten-Werkstätten - das wollen die meisten nicht mehr. Geraten die früheren Vorzeigeprojekte also zum Auslaufmodell? "Es ist mein Wunsch, dass es ein Auslaufmodell wird", so Göthling. "In Werkstätten für Behinderte kommt man schnell rein, aber nicht wieder raus. Das ist wie eine Einbahnstraße bei Glatteis."
Seit Donnerstag hatten sich Behinderte aus Deutschland, den USA und Belgien in Kassel zu einer internationalen Tagung getroffen. 185 Teilnehmer verzeichnete People First. In insgesamt zehn Arbeitsgruppen wurde gebastelt, gemalt und diskutiert. "Die Leute sollen gestärkt wieder nach Hause fahren", nennt Göthling ein Ziel der Veranstaltung in Kassel.
Auch der selbst im Rollstuhl sitzende Landtagsabgeordnete Andreas Jürgens und der Vorsitzende des Kasseler Behindertenbeirates, Michael Spörke, unterstützten die Tagung und organisierten die Kundgebung mit.
Jürgens will sich im Landtag für ein hessisches Gleichstellungsgesetz einsetzen. Integration Behinderter in Schulen - "Sonderschulen ohne eigenes Schulgebäude" -sei beispielsweise als Forderung damit verbunden.
Und Michael Spörke will sich bei den Stadtverordneten dafür einsetzen, dass "die guten Beschlüsse zum behindertengerechten Umbau des Rathauses" nun auch umgesetzt werden. Gemeinsam mit dem Seniorenbeirat will er außerdem gegen den Abbau von Briefkästen durch die Post AG protestieren. (SOK)