Eingabehilfen öffnen

Radeln und leben gemeinsam. Kasseler bringen Menschen mit Sehbehinderung aufs Rad

Gemeinsam Radfahren macht mehr Freude. Das ist das Motto von Andreas Loose aus Kassel. Was zunächst einmal unspektakulär klingt, bekommt eine besondere Bedeutung, wenn man weiß, dass der 56-Jährige seit einem Autounfall im Jahr 1997 blind ist. Vor rund einem Jahr wandte er sich an unsere Redaktion, weil er auf der Suche nach Menschen war, die als Tandem-Piloten mit radeln. Der Artikel und Aushänge in Kneipen zeigten Wirkung. Auch Marcus Göbel vom Kulturzentrum Schlachthof sowie Andreas Kropf und Kai Bißbort wurden darauf aufmerksam.

Andreas Kropf leitet ehrenamtlich die zum Schlachthof gehörende Fahrradwerkstatt im Tschilla. Kai Bißbort arbeitet bei Bathildisheim, einem diakonischen Unternehmen mit Sitz in Bad Arolsen, das Menschen mit Behinderung fördert und begleitet. Beide sind seither mit Andreas Loose auf dem Tandem unterwegs. Für ihn ist das ein großes Glück: „Radfahren bedeutet für mich Freiheit. Ich fühle mich dann einfach lebendig.“

Doch der Kasseler hat noch einen Traum: Er möchte auch anderen sehbehinderten Menschen den Fahrspaß auf zwei Rädern ermöglichen – mithilfe von Tandems. Das Ende Mai ausgelaufene Förderprogramm „Mobil mit dem Rad“ der „Aktion Mensch“ unterstützt solche Vorhaben und fördert die Anschaffung spezieller Fahrradtypen, die Menschen mit Behinderung mehr Mobilität schenken. Voraussetzung ist laut Loose ein gemeinnütziger Trägerverein. Auch hier hatte er Glück: Marcus Göbel, Andreas Kropf und Kai Bißbort griffen seine Idee auf und reichten über ihre Vereine Förderanträge ein.

Dank der Förderung konnten vier Tandems angeschafft werden – darunter ein straßentaugliches Modell sowie eines, das speziell für Geländefahrten ausgelegt ist. Interessierte können sich direkt an Andreas Loose oder an die Fahrradwerkstatt im Tschilla an der Sickingenstraße 7-9 wenden. Dort stehen auch weitere Spezialräder zur Verfügung, die beispielsweise mit Rollstuhlfahrern genutzt werden können. „Wir sind da breit aufgestellt“, sagt Marcus Göbel.

Kai Bißbort, der im Bereich Tower Fernassistenz für Bathildisheim tätig ist – ein Angebot, das beispielsweise Menschen mit einer Sehbehinderung digitale Alltagshilfen bietet – engagiert sich aus Überzeugung für die Initiative von Andreas Loose: „Unser Ziel ist es, mit dem Projekt Teilhabe zu ermöglichen.“ Das Tandemfahren bringe viele positive Effekte mit sich: Es stärke nicht nur die körperliche Fitness, sondern biete auch die Gelegenheit, andere Menschen kennenzulernen.

Zu den Zielen gehört der Aufbau eines Netzwerks von Tandem-Piloten, die Menschen mit einer Sehbehinderung begleiten. Über die Fahrradwerkstatt werden Interessierte nicht nur vermittelt, sondern auch geschult. „Kommunikation ist entscheidend“, sagt Andreas Kropf. Denn nur klare Ansagen – etwa bei Bodenwellen oder Abbiegungen – geben den Mitfahrenden Orientierung. Für ihn ist es etwas Besonderes, das Vertrauen zu spüren und anderen die Möglichkeit zu geben, sportlich aktiv zu sein. Und wenn ein Rad mal nicht rund läuft, kümmert sich sein Werkstatt-Team darum.

Die Tandems sollen am 2. September beim Inklusiven Sportfest im Kasseler Auestadion vorgestellt werden. Wie Marcus Göbel und Kai Bißbort erklären, können sie dort auch ausprobiert werden. „Es fühlt sich gut an, dass die Idee Wirklichkeit geworden ist“, sagt Andreas Loos. „Ich möchte andere unterstützen und ihnen Mut machen.“ Sein nächstes Ziel ist es, eine Tandem-Gruppe für Sehbehinderte ins Leben zu rufen.

Kontakt: Andreas Loose, Telefon 0 15 78/5 05 05 44,
Fahrradwerkstatt des Kulturzentrums Schlachthof,
Tel. 01 76/77 88 37 48,

Quelle: HNA (Kassel-Mitte) vom 10.07.2025, Seite 11