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Mandy Müller will die Welt ein kleines bisschen gerechter machen

Kassel (kobinet) Mandy Müllers Traum war schon immer, die Welt ein kleines bisschen gerechter zu machen. Derzeit absolviert die Politikstudentin ein Praktikum beim Kasseler Verein zur Förderung der Autonomie Behinderter (fab). kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul führte mit der engagierten blinden Frau ein Interview, in dem es u.a. auch um die Probleme mit fehlenden oder akustisch schlecht zu verstehenden Haltestellen-Ansagen in öffentlichen Verkehrsmitteln geht.

kobinet-nachrichten: Sie absolvieren an der Universität Kassel ein Politikstudium und machen derzeit ein dreimonatiges Praktikum beim Verein zur Förderung der Autonomie Behinderter (fab) im Kasseler Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen. Warum haben Sie gerade diese Praktikumsstelle gewählt?

Mandy Müller: Ich wollte wissen, welche Möglichkeiten es für mich gibt, sich im Bereich Inklusion zu engagieren. Es war schon immer mein Traum, die Welt ein kleines bisschen gerechter zu machen, hier beim fab habe ich eine Möglichkeit gesehen, praktische Erfahrungen zu sammeln, die mich diesem Traum ein Stückchen näher bringen.

kobinet-nachrichten: Wenn Sie an die Situation behinderter Menschen denken, was beschäftigt Sie dabei besonders?

Mandy Müller: Ich frage mich oft: SIND Menschen behindert oder WERDEN sie durch zu viele Barrieren behindert? Und warum ist es im Jahre 2022 noch so notwendig, gegen diese zu kämpfen? Sollten wir als Gesellschaft nicht längst gelernt haben, dass tatsächlich die Würde eines JEDEN Menschen über allem steht? Ich finde es unglaublich wichtig dafür einzustehen, dass es keine Rolle mehr spielt, ob jemand eine Behinderung hat oder nicht. Es darf keine Blasen mehr geben, in denen behinderte Menschen unter sich sind. Alle Menschen sollen gleichberechtigt Seite an Seite ihr Leben leben: Ohne Vorurteile, ohne Barrieren. Das dies noch nicht der Fall ist, das beschäftigt mich.

kobinet-nachrichten: Als blinde Nutzerin des Öffentlichen Personennahverkehrs sind Sie selbst immer wieder mit Barrieren und Benachteiligungen konfrontiert. Was nervt Sie dabei am meisten?

Mandy Müller: Fehlende, nicht hörbare oder gar falsche Haltestellenansagen sind für mich der pure Stress. Woher soll ich wissen, wo ich bin, wenn es nicht angesagt wird? Man kann sich nicht mal an Hand der Zahl der Stopps orientieren, weil Busse beispielsweise nicht immer halten, wenn man nicht den Halteknopf bedient. Außerdem gibt es viel zu wenig Behindertenplätze. Wenn ich mit meinem Führhund Bus oder Bahn fahre, benötige ich einen solchen, da ein Hund mit Geschirr doch etwas Platz einnimmt und im Gang liegend eine Gefahr für Mitreisende und auch für ihn selbst darstellt. Häufig sind Behindertenplätze aber auch einfach von Passanten belegt, die dann erstmal aufgefordert werden müssen, diese frei zu machen. Eine bessere Kennzeichnung wäre hier vielleicht auch wünschenswert…

kobinet-nachrichten: Wenn Sie zwei Wünsche in Sachen Behindertenpolitik frei hätten, welche wären das?

Mandy Müller: Ich wünsche mir, dass Barrieren abgebaut werden. Damit meine ich nicht nur die physischen Barrieren, sondern auch die in den Köpfen der Menschen. Nur so kann meiner Meinung nach eine gleichberechtigte, gerechte Gesellschaft entstehen.

Weiterhin wünsche ich mir, dass das bereits bestehende und tolle Netzwerk, welches sich in der Behindertenpolitik engagiert, noch größer wird. Ich wünsche mir, dass noch mehr Menschen mit Behinderung den Mut finden, laut zu werden und Forderungen zu stellen.

kobinet-nachrichten: Wie würde der ideale Job für Sie aussehen?

Mandy Müller: Ich stelle mir einen Job im Bereich der Inklusion vor, der etwas bewirkt, Gerechtigkeit schafft und Menschen hilft. Ein Job ohne Sinn, das wäre nichts für mich. Wo aber die Reise ganz konkret hingeht, das weiß ich noch nicht.

kobinet-nachrichten: Sie haben seit kurzem einen neuen Mitbewohner in Form eines Blindenführhundes. Wie heißt dieser und wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit ihm?

Mandy Müller: Oris, so heißt er, ist ein zwei Jahre alter, gelber Labrador-Rüde. Er bedeutet für mich Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstvertrauen. Die Zusammenarbeit mit ihm gibt mir mehr, als ich es vorher hätte ähnen können. Er ist allerdings noch jung und muss das Gelernte jetzt erstmal im „Real-life“ umsetzen. In manchen Situationen ist er noch etwas aufgeregt und verspielt, aber ich habe großes Vertrauen darin, dass wir das noch hinbekommen. Er findet Bus- und Bahnfahren übrigens im Gegensatz zu mir ganz großartig. Aber natürlich stößt man auch mit oder gerade wegen des Hundes auf Barrieren. In meinem Fall sind das bisher unaufgeklärte Passanten, die ihn locken oder gar einfach anfassen und streicheln. Er orientiert sich dann aber glücklicherweise meistens doch an mir und lässt sich kaum bis gar nicht ablenken.

kobinet-nachrichten: Vielen Dank für das Interview.


kobinet-nachrichten vom 17.06.2022