Kassel (kobinet) „Spätestens seit dem Inkrafttreten der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen in Deutschland am 26. März 2009 ist klar, dass es bei Fragen der Selbstbestimmung, Teilhabe und Inklusion behinderter Menschen um Menschenrechtsfragen geht und diese auch so behandelt werden müssen.“ Das betonte der Kasseler Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Boris Mijatovic, bei einem Besuch im Kasseler Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen. Begleitet wurde er dabei vom Vorsitzenden der Kasseler Rathausfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Steffen Müller.
Im Gespräch mit Vertreter*innen des Verein zur Förderung der Autonomie Behinderter (fab) und des Verein Selbstbestimmt Leben in Nordhessen (SliN) machten Menschen mit verschiedenen Behinderungen deutlich, welche Menschenrechtsverletzungen sie immer noch erleben müssen. „Die freie Arztwahl ist für mich erheblich eingeschränkt, weil viele Arztpraxen nicht barrierefrei zugänglich sind“, betonte beispielsweise Carola Hiedl vom Vorstand des fab. Für Uwe Frevert ist es wichtig, dass er und andere behinderte Menschen ihre Hilfen selbstbestimmt organisieren können. „Ich muss morgens pünktlich zur Arbeit kommen und Dienstreisen verlässlich gestalten können. Dafür stelle ich meine Assistenten im Rahmen eines Persönlichen Budgets selbst an. Die bürokratischen Hürden machen mir und anderen behinderten Menschen dabei aber oft mehr Arbeit als die Organisation meiner Assistent*innen“, betonte Uwe Frevert, der als Berater der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatungsstelle (EUTB) des Vereins SliN andere behinderte Menschen unterstützt. Aber auch die Tatsache, dass es lediglich in ganz wenigen Kasseler Kneipen und Restaurants barrierefreie Toiletten gibt und der Zugang meist durch Stufen verwehrt wird, stelle für gehbehinderte Menschen eine erheblich Benachteiligung dar.
„Deshalb fordern wir schon seit Jahrzehnten klare und umfassende gesetzliche Regelungen, die auch private Anbieter von Dienstleistungen und Produkten zur Barrierefreiheit verpflichten“, betonte Birgit Schopmans vom fab. Barrieren bei der Nutzung des Internets, fehlende Durchsagen bei der Nutzung von Bussen und für hörbehinderte Menschen schlecht verständliche Informationen stellen weitere Barrieren dar, die die Teilhabe erschweren bzw. unmöglich machen.
In Sachen Menschenrechte behinderter Menschen gibt es also genügend Themen, die Boris Mijatovic in Berlin mit vertreten will. „Im Koalitionsvertrag ist es uns gelungen, eine Reihe von behindertenpolitischen Maßnahmen zur Barrierefreiheit und Inklusion zu verankern. Sei es die Verbesserung der Barrierefreiheit bei der Bahn oder in Geschäften, Kneipen und in Arztpraxen, hier wollen wir mit der rot-grün-gelben Regierungskoalition vieles verbessern. Damit wir das schaffen, brauchen wir engagierte behinderte Menschen, wie ich sie im Kasseler Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen treffen durfte. Ich nehme also einiges aus diesem Besuch für mein weiteres Wirken mit nach Berlin“, so das Resümee von Boris Mijatovic, dem Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.
kobinet-nachrichten vom 13.08.2022